Darf das Kunst?

Das Geschrei ist seit Tagen schier unerträglich groß: Vor allem Journalisten und Politiker geilen sich an einem Lied-Text der Söhne Mannheims auf.

Begriffe wie rechtsradikal, politikfeindlich und hetzerisch werden geradezu inflationär in der Welt herum posaunt. Einige Sender haben gleich die ganze Platte der Band auf den Index gesetzt. Die selbsternannten Moral-Apostel der Nation verlangen vor allem vom Band-Leader Xavier Naidoo deutlich Abbitte. Die Stimmung im öffentlichen Raum scheint dermaßen angespannt und diffus zu sein, dass einige Grundregeln unseres Gemeinwesens völlig vergessen werden.

Steht doch die Kunst und dazu gehören zweifelsfrei auch Musik und Text von Songs, unter dem ganz besonderen Schutz des Grundgesetzes.

In seinem Artikel 5 unter Absatz 4 heißt es: Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Diese Verfassungsnorm enthält damit eine objektive Wertentscheidung für das Verhältnis des Staates zur Kunst und zugleich eine subjektive Freiheitsgarantie für alle Künstler, die sie vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt schützt. Gegenstand der Kunstfreiheit ist nicht nur das künstlerische Schaffen, sondern auch die öffentliche Darbietung der Kunst.

Die Freiheitsgarantie für die Kunst ist ein starkes Grundrecht und damit zugleich auch subjektives Abwehrrecht gegen jede Einwirkung der öffentlichen Gewalt.

Dabei gilt der Schutzbereich des Grundrechts für jede Art von Kunst, ob sie nun gefällt oder nicht. Andernfalls könnten sich Staat und Öffentlichkeit durch Differenzierungen zwischen „guter“ und „schlechter“ Kunst ganz willkürliche Eingriffe erlauben. Gerade dies soll und muss der im Grundgesetz verankerte Schutz der Kunst verhindern.

Im Unterschied etwa zu Meinungs- und Pressefreiheit in Absatz 1 des Artikel 5, steht die Kunstfreiheit nicht unter einem ausdrücklichen Schrankenvorbehalt.

Die Freiheit der Kunst findet ihre Grenzen lediglich dort, wo andere absolut geschützten Grundrechte berührt werden. Eine solche Schranke stellt beispielsweise die Menschenwürde nach Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz dar oder auch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Artikel 2 Absatz 1 i.V.m. Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz. Das scheinen einige der Krakeeler aus dem Blick verloren zu haben, vielleicht wissen sie es schlicht und einfach auch gar nicht.

Die Mütter und Väter der Verfassung haben 1949 ganz bewusst die Freiheit gewählt und haben es aufgeschrieben.

Vorausgegangen waren schließlich totalitär geprägte Eingriffe auch im Bereich der Kunst. Dabei ist gerade ihr von Natur aus immanent, dass sie oft provoziert, überzeichnet und auch deutliche Kritik an gesellschaftlichen Erscheinungen übt. Wie sonst wäre eine breite Vielfalt der Genre denkbar.

Wie das Gegenteil von Freiheit in der Kunst aussehen kann, das wurde zuletzt in den Jahren der DDR sichtbar.

Das Schicksal der Band um Klaus Renft, damals bekannt als Klaus Renft Combo, ist so manchem Musikinteressierten in Erinnerung geblieben. Die Texte der Band waren kritisch, zu kritisch befanden die damals Herrschenden. Kurzum wurden der Band öffentliche Auftritte untersagt und ihre Auflösung forciert.

Ganz in dieser Tendenz bewegen sich die gegenwärtigen Aufregungen um die Söhne Mannheims. Soweit der Oberbürgermeister der Stadt die Band zum Rapport einbestellt, greift er in die verfassungsrechtlich geschützte Freiheit der Kunst ein. Er tut also genau das, was ihm das Grundgesetz untersagt. Das sind die eigentlich schlimmen Vorgänge in diesem Zusammenhang. Zeigen sie doch, wie nah wir Deutschen noch mit unserer Vergangenheit und den dort gemachten Fehlern verhaftet sind. 

Es bleibt zu hoffen, dass Xavier Naidoo und seine Mannen sich davon nicht einschüchtern lassen. Genau wie viele Generationen von Künstlern vor ihnen. Es lebe die Freiheit, auch die der Kunst! Textquelle: Ralph Kaste

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